Sr. Julianas Weg nach Ägypten

050214_julianaAm 16.6.1955 wurde ich Juliane Baldinger in Grieskirchen, Oberösterreich geboren. Meine Eltern waren Maria Baldinger, geborene Ecker und mein Vater Gottfried Baldinger der in meinem 3. Lebensjahr starb. Meine älteste Schwester heißt Pauline und ist verheiratet mit Raimund Schliefnig. Sie haben 5 Kinder Evelin, Karina, Jürgen, Christiane und Gabriel Schliefnig und leben in meinem Elternhaus. Meine zweitälteste Schwester heißt Rosemarie und ist ebenfalls verheiratet. Mit ihrem Mann Herbert Aloys haben sie vier Kinder Bertram, Roland, Romana und Maria Aloys und sie leben im Wintersportort Ischgl im Paznauntal.

Meine Eltern bewirtschafteten einen kleinen Bauernhof mit ca. 3 ha Grund in Holzackern 8 ,4714 Meggenhofen. Mein Vater war Maurer und verdiente so Geld zum geringen landwirtschaftlichen Einkommen hinzu. Es war ein schwerer Schlag für meine Mutter als mein Vater nach längeren Kriegsleiden starb. Ihr blieb nun die Sorge um die 3 Mädchen die damals 9, 6 und ich 3 Jahre alt waren. Noch vor meines Vaters Tod wurde das alte Holzhaus abgerissen und der Rohbau eines neuen Hauses gebaut. 3 Räume, Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer waren fertig alles andere nur Rohbau. Im Laufe der Zeit baute meine Mutter langsam und mit viel Mühe das Haus aus.

Wir besuchten die Volksschule in Meggenhofen. Zu gerne wäre ich weiter in die Hauptschule gegangen aber meiner Mutter fehlte das Geld um den nötigen Schulbus und die teuren Bücher zu bezahlen. Am Ende meiner achtklassigen Volksschulausbildung ging ich in eine Fabrik arbeiten und absolvierte gleichzeitig in Abendkursen meinen Hauptschulabschluss. Danach begann ich im Hotelgewerbe zu arbeiten wie auch meine Schwester Rosemarie die dabei ihren Mann kennenlernte.

Ich war mir bezüglich des Themas „Heirat“ immer unsicher. Schon von Kind auf war ich immer von der Mission und dem Ordensleben fasziniert. Nur hatte ich meine persönlichen Schwierigkeiten mit Gott.

Letzten Endes willigte ich ein, mich einmal auf diesen Gott und das Thema Berufung einzulassen. Um mich besser damit auseinander setzen zu können machte ich im Jahre 1982 eine längere Reise die mich mit Zug und Schiff nach Israel brachte. Dort arbeitete ich, um einen längeren Aufenthalt im Hl. Land finanzieren zu können, die erste Zeit als Volontärin in einem Kibbuz in der Wüste Negev.

Die Osterzeit 1983 verbrachte ich in Jerusalem und quartierte mich im Gästehaus „Ecce Homo“ der Schwestern „Notre Dame de Sion“ – „Unsere Frau von Sion“ ein. Es wurde eine längere Zeit al sich anfänglich dachte. Nach den Feiertagen begann ich mit einem „Ulpan“ um die Hebräische Sprache zu lernen. Gleichzeitig lernte ich die Sionsschwestern und ihre Arbeit innerhalb der Kirche und der Weltgemeinschaft immer besser kennen so das ich nach einer Weile als Gast und Volontärin zuerst eine Probezeit und dann mein Noviziat in Jerusalem machte.

Im Jahre 1988 legte ich meine ersten Gelübde ab und wurde für 4 Jahre nach Frankfurt a. Main versetzt. In der Hochschule St. Georgen in Frankfurt besuchte ich Vorlesungen um meinen Glauben auch theologisch und mit christlicher Bibelauslegung zu schulen. Denn in Israel haben wir uns zum Thema Bibel viel mit Rabbinern und in den Synagogen beschäftigt.

juliana-und-abuna-isaak

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Vorausschauend, dass mein späterer Einsatzort in Ägypten sein wird, besuchte ich auch eine zweijährige Ausbildung für Altenpflege. Am zweiten Tag nach dem Erdbeben von 1992 kam ich in Kairo an. In den ersten 2 Jahren besuchte ich eine Sprachschule für Arabisch. 5 Tage die Woche 4 Stunden! Da glaubt man dann, man sollte eigentlich perfekt sein in dieser schwierigen Sprache! Irrtum!

Von der Gemeinschaft in Kairo aus gründeten wir eine neue Gemeinschaft in Oberägypten und kamen im Sept.1994 in das Dorf El Berba in der Diözese Minia. In diesem Dorf leben ¼ koptisch katholische Christen und ¾ Muslime. Es waren die Menschen hier im Dorf die mir das sprechen und die Art wie man hier lebt und denkt beibrachten. Nach 3 Monaten funktionierte das dann ganz gut.

In den ersten Monaten lebten wir im ersten Stock des Pfarrhauses beim Pfarrer des Dorfes. Der alte Priester Abuna Isaak lebte schon 47 Jahre im Dorf. Der junge Priester war verheiratet und hatte als wir als Gemeinschaft dazukamen einen Sohn, heute hat er zwei Söhne. Nicht nur in dieser kleinen Pfarrhofgemeinschaft fühlten wir uns gleich zu Beginn wohl. Auch die Dorfgemeinschaft nahm uns mit offenen Armen auf.

das_geloebnis_03Am 24. Jänner 1995 sollte ich meine Ewigen Gelübde ablegen. Gäste aus Österreich und Deutschland und Schwestern aus Israel wollten zum Fest kommen. Aber leider mussten alle Feierlichkeiten abgesagt werden. In den Nachbardörfern begannen Terroranschläge und wir wollten unseren Gästen nicht diese Unsicherheit zumuten. So wurde das Fest schon am Sonntag den 15. Jänner innerhalb der Christlichen Dorfgemeinschaft gefeiert. Nur die verantwortliche Schwester für Ägypten nahm in Vertretung des Leitungsteams in Rom meine Gelübde entgegen. Leider gab es keine Gäste in Berba. Aber am Freitag den 20. Jänner 1995 wiederholten wir die Feier in Kairo in der Anwesenheit der Gäste die nicht nach Berba kommen konnten. Auch meine Mutter war mit dabei.

Ende Februar 1995 übersiedelten wir in ein altes Bauernhaus das in der Zwischenzeit umgebaut und renoviert worden war. Heute beherbergt sein Nachfolgebau nicht mehr die Schwestern sondern das Entwicklungszentrum für das Dorf.

Wir hatten im ersten Stock eine Wohnung mit mehr Komfort als ich bisher gewohnt war. Wir hatten sogar eine vollautomatische Waschmaschine, die für mich das beste Stück im Haus war, neben einem Computer mit Internet Anschluss.

Im ersten Stock war der Kindergarten untergebracht und auch eine Ambulanz die ich immer noch mit jungen Mädchen vom Dorf betreue. Schwerpunkt der Ambulanz ist die Versorgung der kleinen Nöte vor allem älterer Menschen und Babys. Auch Programme gegen Unterernährung von Babys und Kleinkinder sind meine Sorgen. Zurzeit tauchen immer wieder Menschen mit kleineren Missbildungen auf die ebenfalls bereut werden müssen. Teilweise brauchen sie Beratung oder Unterstützung beim Aufsuchen von Spezialisten in den Krankenhäusern oder Privatkliniken.

Ebenfalls im zweiten Stock gab es noch Räume für Mädchen und Frauen die kein Schule besucht hatten und nun durch ein zweijähriges Programm einen Abschluss machen können der ihnen dann ermöglicht weiter auf eine staatliche Schule zu gehen.

Im dritten Stock gab es noch einen großen Saal der für Zusammenkünfte und Besprechungen benutzt wurde. Und dann gab es noch eine wunderbare Terrasse auf der man in den Wintermonaten die beiden Wüsten sehen konnte und den grünen Streifen Land in dem Ägypten lebt. Dieser scheint ganz schmal zu sein. Heute steht statt des alten Bauernhauses ein Neubau mit 5 Stockwerken in dem eine Menge von Entwicklungsprogrammen für die Dorfgemeinschaft stattfinden die das Haus mit Leben füllen. Im Laufe der Jahre und mit verschiedenster Unterstützung wie auch aus der Heimatgemeinde habe ich begonnen den Obstgarten, der der Diözese und heute der Dorfkirche gehört, in einen Spielplatz zu verwandeln. Kinder spielen an einem geschützten Ort der in vielen bunten Farben lacht. Sie lernten langsam achtsamen Umgang mit der Natur und anderen Dingen so z.B. das Obst auf den Bäumen zu achten und nicht vorzeitig zu pflücken oder gar zu zerstören. Erst zur Reifezeit pflücken und essen wir die Köstlichkeiten wie Orangen, Bananen, Weintrauben, Feigen, Mangos und Äpfeln! Aber der Garten hat nicht nur Obstbäume sondern auch viele Blumen die die Kindergarten Kinder teilweise das Jahr über pflanzen und dann bestaunen und pflegen. Dinge respektieren auch wenn es nicht mein Eigentum ist, ist ein Ziel das alle Menschen hier im Garten lernen. Einen Blick für das Schöne zu entwickeln neben dem lustigen Spielen auf den Rutschen und Schaukeln. Für die Katechesen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Sommer gibt es einen schönen Raum mit einem überdachten Vorplatz. Immer wieder kommen Christen aus anderen Dörfern für die der Garten Ziel ihres Pfarrausfluges ist. Sie spielen, essen, hören Vorträge und treffen sich als Gemeinschaft im Garten den sie auf Voranmeldung für eine geringe Gebühr nutzen dürfen. Heute ist der Garten finanziell selbsttragend. Die Kosten für Wasser, Strom, Telefongebühren und den Lohn des Gartenbetreuers werden durch Nutzungsbeiträge für besondere Tage und Zwecke selber erwirtschaftet.

Wir haben der Strasse entlang und vor der Außenmauer an die hundert Bäume gepflanzt, die einladen unter dem Schatten zu sitzen und sich auszuruhen. Aber nicht nur um den Garten herum wurde viel begrünt sondern auch den Dorfstrassen entlang haben die Menschen vor ihren Häusern fleißig Bäume angepflanzt. Es sind 500 oder mehr Bäume die angepflanzt wurden. So grünt es den staubigen Strassen entlang!

Paskalina schläft am Schreibtisch vor dem Notebook

Paskalina schläft am Schreibtisch vor dem Notebook

Innerhalb der Pfarre wurde im Laufe der Zeit auch eine Bibliothek aufgebaut in der wir in der Zwischenzeit viele kleine Leseraten antreffen. In den Sommermonaten nutzen die Religionslehrer dieses Angebot sehr. Die Kinder und Jugendlichen werden eingeladen kleine Arbeiten über bestimmte Themen zu erstellen. Teils schreiben die Kinder zu religiösen und teils zu Themen des täglichen Lebens oder auch zu ihren speziellen Interessen. Am Ende vom Sommer werden diese Arbeiten vorgelegt und bewertet. Die besten bekommen natürlich einen Preis.

So merkten wir auch das Computer notwendig sind um den Hunger nach Wissen ein wenig zu stillen. Wiederum halfen Freunde und Organisationen aus Österreich wie Pax Christi Österreich um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Anlass war, als wir einen Internet Anschluss bekamen und unser alter Apple zwar noch als Computer funktionierte nicht aber für einen Internetanschluss. So bekamen wir einen neueren Computer und der alte wurde für das neue Projekt genutzt. In der Zwischenzeit haben wir zwei neue Computer und einen Drucker gekauft die aber nicht in der Bibliothek sonder in den Ambulanzräumen stehen. Der Grund dafür ist, dass es in der Bibliothek auch christliche religiöse Bücher gibt, wegen denen die Muslimische Jugend die Bibliothek nicht benutzen kann. Doch das „Lernprojekt“ mit den Computern soll auch der muslimischen Jugend offen stehen. Ich hoffe, dass in den nächsten Monaten noch 2 bis 3 Computer dazukommen.

Eine meiner Mitschwester Darlene de Mong aus Kanada hat gleich nach unsere Ankunft begonnen mit Kindern einen Kinderchor aufzubauen. Heute können 6 Mädchen Gitarre spielen. Es ist eine Freude sie singen spielen und auch manchmal tanzen zu sehen. Unsere Arbeit beschränkt sich aber nicht nur auf soziale Projekte sondern auch darauf wie ein Multikulturelles Leben möglich sein kann wenn es so viele Unterschiede durch die Religion gibt. Innerhalb der Pfarrgemeinschaft helfen wir Schwestern beim Bibelstudium, in der Katechese und anderen Bereichen des Pfarrlebens. Mir ist es auch immer ein Anliegen, andere Menschen auch in ihrem Glauben zu respektieren. So kommt es vor, dass wir auch zum Thema Islam oder Koran diskutieren, Informationen austauschen oder uns auch einen Vortrag anhören.

Persönlich beschäftige ich mich gerne mit der Bibel meinem liebsten Buch. Obwohl ich es schon viele Male gelesen habe, erscheint es mir immer wieder.

Das Internet ist für mich eine Bibliothek in der ich mir Artikel zu bestimmten Themen hole. Ich staune, dass es selbst in einem Dorf von nur 12.000 Einwohnern Zugang zu den Bibliotheken der Welt und zum Weltgeschehen gibt! Kaum zu glauben.

Im Jahre 2000 wurde das Projekt „Berba und das 3 Jahrtausend“ mit der Unterstützung der Österreichischen Botschaft in Kairo begonnen. Es bedeutete den Neubau eines weiteren Hauses anstelle eines alten Hauses in dem heute auch die Schwestern leben. Dieses Projekt ist heute fest verankert in der Dorfgemeinschaft. All die kleinen und großen Schwierigkeiten konnte das Projekt nicht in den Grundfesten erschüttern. Das Haus beherbergt im 4. Stock einen Kindergarten für Kinder mit besonderen Bedürfnissen.

Auf den Grundstein vertrauend hat das Projekt seinen Anfang genommen! Durch kleine und größere Wunder konnte das Haus nach einer Bauzeit von 14 Monaten mit Leben gefüllt und den Aufgaben des Projekts übergeben werden.

Besuch von der Österreichischen BotschaftDas „Projekt Berba und das 3. Jahrtausend“ wurde aus dem Erlös des jährlichen Weihnachtsbasar der Europäischen Botschaften in Kairo finanziert. Der größte Dank gebührt Frau Trauttmansdorff der Frau des ehemaligen Österreichischen Botschafters in Kairo und dem alt Bischof der Diözese Minia Antonius Nagieb. Er ist heute Patriarch der koptisch-katholischen Kirche in Ägypten. Durch ihr Vertrauen konnte das Wunder „Berba und das 3. Jahrtausend“ verwirklicht werden.

Immer wieder bekommen wir auch Besuch von Gästen und Volontären aus Kairo oder Österreich, die unterschiedlich lange bei uns bleiben. So war auch Fr. Trautmannsdorf mit mehreren Frauen bei uns zu Besuch.

Im Jahre 2005 erhielt ich in der Diözese Linz für meine Arbeit als Sionsschwester in Ägypten den Solidaritätspreis der Linzer Kirchenzeitung. Ich bekam ihn gemeinsam mit Prof. Dr. Hans Hollerweger der mit seiner „Initiative christlicher Orient“ seit vielen Jahren die Christen im Mittleren Ostern unterstützt.

Zum Abschluss möchte ich noch einen kleinen Einblick in die Kirchengeschichte von Berba geben. In der Zeit von Kaiser Franz Josef II. kam es zu einigen Kirchenbauten hier in Oberägypten. Dies geht darauf zurück, dass ein Lehrer mit Namen Markus hier tätig war. Er muss wohl Südtiroler gewesen sein. Es gibt sogar einen kleinen Weiler der „Marko“ oder auch „Hawaga“ =Fremder genannt wird. 1895 wurde dann die erste Kirche aus Holz gebaut. Diese wurde dann unter dem Priester Abuna Isaak 1955 vergrößert und aus gebrannten Ziegeln neu aufgebaut. Der sehr geschätzte Abuna Isaak lebte 50 Jahre hier im Dorf und diente Gott und den Menschen. Am Sonntag den 8. Juni 1998 am Tag seines Priesterjubiläums brachten wir ihn nach der Sonntagsmesse ins Krankenhaus wo er am darauf folgenden Morgen verstarb. Heute erinnert daran noch eine Tafel die damals auf der ersten Kirche angebracht wurde und heute über dem Eingang vom Kirchentor zu finden ist.

Wir sind nun schon 18 Jahr hier in Berba und ich liebe es mit den Bauern auf den Feldern den süßen schwarzen Tee zu trinken und mit den Frauen vor dem Haus zu sitzen und zu plaudern. Im Sommer im Schatten oder in den Wintermonaten in der Sonne. Wir teilen das Leben miteinander!

Ich grüße alle recht herzlich und danke für die vielfältige Unterstützung
Im Gebet verbunden

Sr. Juliana Baldinger NDS
im Dezember 2010