Zuhause ist, wo immer ich lebe!

Mein Weg zu den Sionsschwestern

Ich, Schwester Juliana Baldinger, wurde 1955 in einem kleinen Dorf in Österreich geboren, wo meine Familie eine Landwirtschaft hatte.  

Während meiner Kindheit erlebte ich einen Ruf, Missionarin zu werden. In meiner Jugendzeit habe ich diesen Ruf zurückgewiesen, da ich wie alle und nicht anders sein wollte. Vielleicht habe ich schon während dieser Zeit unbewußt realisiert oder verstanden, dass das Leben in einem Orden einen anderen Lebensstil mit sich bringt, eine andere Herausforderung ist, das Leben in Fülle (Joh 10,10) zu leben.

Als ich 1974 im Alter von 19 Jahren für sechs Wochen mit einem Missionar und einer älteren Dame nach Indien gefahren bin, wurde diese alte Liebe, eine Missionarin zu werden, wieder neu entfacht. Mein Leben hatte keinen wirklichen Sinn, da ich nicht wußte, wofür ich mich engagieren oder welche Entscheidungen ich treffen sollte. Nach meiner Rückkehr aus Indien habe ich realisiert, dass ich Sprachen lernen mußte, um offener und eine Suchende zu werden. So fuhr ich als Au Pair Mädchen nach England, um die englische Sprache zu lernen. Ich beendete meine Beziehung zu meinem Freund und wurde also frei, um nach dem zu suchen, wohin das Leben mich rief.

In England habe ich eine andere Kultur und Art zu leben und zu denken entdeckt, weil ich eine andere Sprache kannte! Als ich wieder nach Hause kam, kehrte ich zu meiner Arbeit in einem Hotel zurück, wo ich als Kellnerin arbeitete. Die neu erworbene Kenntnis einer Sprache war sehr hilfreich. Wenn es bloß nicht diese Frage gegeben hätte, die mich die ganze Zeit anstubste: Wie wär’s, wenn du dich entscheiden würdest, entweder zu heiraten, dich niederzulassen, oder dem Ruf zum Ordensleben zu folgen?

An meinem Geburtstag 1979 hatte ich den Tag freigenommen and wanderte in den Bergen ohne wirkliches Ziel, irgendwohin zu gehen oder etwas zu erreichen. Ich setzte mich vor eine kleine Kapelle, um mich auszuruhen. Meine innere Stimme / die Stimme Gottes schien zu sagen: Wann wirst du beginnen, mir nachzufolgen? Irgendwie kam es zu einer Entscheidung! Ja, ich will es versuchen!

Einige Tage später ging ich, um mir eine Bibel zu kaufen, da mein Ruf mit dem Wunsch verbunden war, das Wort Gottes zu lesen. Diese Aktivität wurde sehr wichtig, da sie darin bestand, ein Buch zu lesen, in dem manche Geschichten bekannt, andere aber auch sehr unbekannt waren. Und so wurde die Idee in mir stärker, mein Land zu verlassen und mit meiner Bibel an Orte der biblischen Geschichte zu reisen. 

Nach einigen Monaten der Vorbereitung und Organisation, fuhr ich im Dezember 1982 mit dem Zug und Boot von Österreich nach Haifa, Israel. Alle Reisenden auf dem Boot fuhren zu einer ehrenamtlichen Arbeit in einem Kibbutz, ohne zu wissen, worum es da ging. Ich ging ebenfalls, da dies freie Unterkunft, Nahrung und ein Taschengeld für täglich sechs Stunden Arbeit bedeutete. Ich konnte meine Bibel lesen und mich darin engagieren, eine andere Kultur und Menschen aus aller Welt kennenzulernen. Ich verbrachte vier Monate im Kibbutz mit Ausflügen im ganzen Land, und ich erlebte mein erstes Weihnachtsfest in Bethlehem. Dort traf ich viele junge Menschen wieder, die auf dem selben Schiff gereist waren wie ich. Viele von ihnen waren in verschiedenen Kibbuzim im ganzen Land.

Ich wählte, in einen Kibbutz im Süden Israels zu gehen, da ich dachte, dass es dort wärmer wäre. Welch falsche Annahme! Da ich von einem Land kam, in dem Schnee in den Wintermonaten normal ist, dachte ich, nach Süden zu reisen würde dazu führen, dass Winter und Schnee verschwinden, und dass nur Sonne und blauer Himmel rund um mich herum wären. Welch ernsthaftes Missverständnis! Der Winter war voller Regen, und es gab sogar ein paarmal Schnee! Ich habe sehr gefroren, da die Häuser nicht gebaut sind für diese Art Wetter, das sogar für die Einwohner und Einwohnerinnen ungewöhnlich zu sein schien.

Ostern stand vor der Tür, und so habe ich den Kibbutz verlassen, um den Weg Jesu zu gehen, indem ich die heiligen Stätten in Galiläa besuchte und zum Höhepunkt der Osterfeier nach Jerusalem ging.

Dort kam ich zufällig in die Jugendherberge der Sionsschwestern auf der Via Dolorosa in der Altstadt Jerusalems. Ich plante, zwei Wochen dort zu bleiben, und daraus wurden Jahre!

Ich fand Antworten auf meinen Ruf, der je länger je mehr der Geschichte Abrahams ähnlich war. Dieser wurde dazu gerufen, sein Land, sein Vaterhaus und… zu verlassen und in ein Land zu gehen, das Gott ihm zeigen würde. Hier bin ich, und ich erfahre immer noch denselben Ruf. Gott zeigt mir mein „neues Land“ in der Bibel, in der Kongregation Notre Dame de Sion als mein neues Zuhause. Nach meinem Entscheidungsprozess wurde ich schließlich in Jerusalem Mitglied der Kongregation. 1988 legte ich die ersten Gelübde im Kloster Ecce Homo in Jerusalem ab, fast sechs Jahre nachdem ich in Israel angekommen war.

Der Weg in Jerusalem war voller Abenteuer, indem ich mit dem Geschenk der Gegenwart Gottes und der täglichen Gnade lernte und ging. Nach meinen ersten Gelübden und einer kurzen Ausbildung wurde ich zu meinem ersten Dienst nach Ägypten geschickt. Ich lebte in Berba in der koptisch-katholischen Gemeinde dieses Dorfes in Oberägypten im Bistum Minya. In dem Dorf leben etwa 12.000 Menschen. Während all dieser Jahre benutzte ich meine Fähigkeiten, indem ich organisierte und hart arbeitete, und gleichzeitig war ich in das Wort Gottes verliebt. Tag für Tag war ich eine Zeugin für Respekt und Liebe für alle Menschen durch Teilen, biblische Studien, Gebetsversammlungen mit der Legio Mariae, mit den Katechumenen und mit verschiedenen Gruppen in der Pfarre von Berba.

2013 erhielt ich den Ruf, als Novizenmeisterin im internationalen Noviziat der Kongregation in Ein Karem / Jerusalem in Israel zu dienen.

Von meiner Persönlichkeit her sehe ich das Leben als Abenteuer, ein großes Geschenk, das beschützt und gefördert werden muß. Ich bin sehr beeinflußt durch die Einsicht des P. Théodore, dass alles in unserem Leben beeinflußt sein soll vom besonderen Ruf Gottes, zu lieben. Und auch durch die Grundinspiration Théodores, dass das hervorragende Charisma der Kongregation „Unserer Lieben Frau von Sion“ die Liebe Jesu Christi für sein Volk sein muß (Origins of Sion, Band 2, S. 65): „Sein Volk heute zu lieben and dazu zu führen, dass sie geliebt werden!“

Ich liebe auch Tiere, und manchmal habe ich das Glück, mit einem oder vielen zu leben. So waren in Berba die Katze Pasqualina und in Ein Karem Mounty meine Gefährten.

Einige meiner Gaben sind, dass ich immer eifrig bin, mehr zu lernen, and ich habe eine Liebe und eine Leidenschaft für die Schrift, sowohl für die Bibel als auch für den Koran. Ich habe fast mein ganzes Ordensleben im Nahen Osten gelebt; ich kann gut Arabisch, und ich spreche etwas modernes Hebräisch. Ich habe gelernt, mit verschiedenen Kulturen zu leben.

Der Vers in Joh 10, 10, „Ich bin gekommen, damit sie das Leben in Fülle haben“, drückt mein Wesen aus in der Nachfolge Jesu im Ordensleben.

Sr. Juliana Baldinger
Ein Karem / Jerusalem
November 2020